Montag, 6. Juli 2015

Tag 15: Salty Dog – Überfahrt nach Schirmonnikenoog

Montag 06.Juli

Es ist kurz vor Fünf morgens. Ich werde wach und halte meinen Kopf aus dem Luk. Eigentlich hätten die Umgebungsgeräusche schon genug verraten aber die Nase im Wind bestätigt es: der Wind pfeift mit midestens 7Bf wenn nicht sogar mehr. Kein Wetter um raus zu fahren. Ich stelle meinen Wecher aus und lege mich wieder hin. Um 5:45h klopft Christoph unsanft an mein Deck. „Ehy! Die Flut wartet nicht!“ Wir hatten beschlossen eine Stunde vor Hochwasser raus zu fahren, genug Wasser um raus zu können und früh genug um zum nächsten Hochwasser in Schirmonnikenoog an zu kommen. Beide Häfen sind bei Niedrigwasser nicht zugänglich für unsere Schiffe. So haben wir zwar den Strom der aufkommenden Flut gegen uns beim herausfahren, die Strömung der Nordsee aber die meiste Zeit mit uns bevor sie kentert und auch gegen uns steht. Wir haben nämlich beschlossen außen herum durch die Nordsee statt innen durchs Watt zu fahren. Ich war ja schon mal „festgelaufen“, wollte das nicht wiederholen und Christoph will es erst gar nicht ausprobieren. Es gäbe zwar Routen, die möglicherweise 1,2m tief wären aber eben nur vielleicht...
Ich bin erstaunt über den Weckruf, muss aber feststellen, das der Wind tatsächlich einiges Nachgelassen hat. OK. Los geht’s!
Das ablegen klappt trotz Wind gut, doch als ich keine Meile weit gekommen bin werde ich fast von meinem Verklicker erdolcht. Der Verklicker ist ein Wimpel oder Pfeil auf der Mastspitze, der anzeigt woher der Wind weht. Ein bisschen wie ein Wetterhan auf dem Kirchturm. Meiner ist aus blech und ca. 40 cm. Lang. Ein ziehmliches Geschoss wenn es aus 10m Höhe auf einen runtergepustet wird. Zum Glück verfehlt er mich und bleibt zusätzlich auf dem Boot! So kann ich ihn bei nächster Gelegenheit wieder montieren. Er hatte sich wohl gelöst, als ich mit Oliver abends durch die Schleuse in Muiden gefahren bin (Tag2).
Danach läuft jedoch erstmal alles glatt. Ich sage erstmal denn als wir in die Nordsee kommen nimmt die Schabernack den kurzen Weg zwischen einer Untiefe und der Insel. Ich überlege noch alleine außen lang zu fahren, was bestimmt 2-3 Seemeilen weiter gewesen wäre, lasse mich dann aber doch verführen. Es kommt wie es kommen muss. Nein, es fährt sich keiner fest aber wir müssen umkehren weil es zu flach wird. Und so dampfen unter Motor eine Stunde gegen ruppige See um unsere Faulheit auszugleichen. Ich mache mir Sorgen (und Christoph auch) das wir jetzt unser Zeitfenster verpassen um den Hafen von Schirmonnikoog anlaufen zu können. Kommen wir mehr als 90min nach Hochwasser, ist die Hafeneinfahrt für uns unpassierbar. Zum Glück haben wir mehr Wind als gedacht 5-6Bf vielleicht sogar 7Bf direkt von hinten. Auf diesem Kurs führt man das nicht so doll, denn die Fahrtgeschwindigkeit von 6-7kn kann man schon mal vom gefühlten Wind abziehen. Außerdem sind die Wellen so dass man sie Absurfen kann und dadurch noch schneller wird. Müsste man einen anderen Kurs fahren, dann würde der Bug immer wieder in die Wellen krachen, die Fahrt wäre ruppig und immer wieder gebremst. So aber vliegen wir durchs Wasser – ein hammer Gefühl!
Ich habe ein bisschen Schwierigkeiten genug Höhe zu gewinnen, also weit genug nach Norden zu kommen um die Sperrzone von Gas-Bohrplattformen zu umfahren und die Einfahrt zwischen den Inseln zu erwischen. Zum Glück sind die Jungs von der Plattform aber locker drauf und winken freundlich zurück als ich ca. 100m an denen vorbei segel statt der vorgeschriebenen 1000m – sorry :-)
Als wir die Passage zwischen den Inseln erreicht haben geht es noch einmal richtig zur Sache! Kurs „Am Wind“ das heißt der Wind kommt direkt von der Seite. Mein Schiff liebt diesen Kurs und segelt ihn gerne und schell. Ich gucke bei 7,3kn ( ca. 13Km/h) auf mein GPS. Ich bin aber mit Sicherheit noch viiiiel schneller gewesen! Zur Orientierung: mein Schiff hat eine Rumpfgeschwindigkeit von 6,5kn das heißt es kann eigentlich nicht schneller fahren (wegen einer Bug- und Heckwelle und daraus resultierender Sogwirkungen...). Der Trick ist es das Schiff mit seinem runden Bauch so weit auf die Seite zu legen, das aus meinen 7m Wasserlinie 8m oder mehr werden und je länger die Wasserlinie, deto schneller kann man werden. „Länge läuft!“
Bei der Einfahrt in den Hafen will Christoph wieder abkürzen, fährt sich beinahe wieder fest und ich habe mit meinem Motor und meinen Segeln zu kämpfen. Ersterer will erst nach vier Versuchen anspringen, während ich unter Segeln versuche im engen Fahrwasser zu bleiben und keines der vielen ein- und auslaufenden Schiffe zu treffen oder mich 5m neben der Tonne fest zu fahren und die Segel bei so viel Wind zu bergen ist aus den selben Gründen schwierig. Mein Autopilot, den ich für diese Art Manöver angeschafft habe ist leider nicht potent genug um das Schiff unter diesen Bedingungen auf Kurs zu halten. Am Ende ist es geschafft und ich mache gekonnt mit Hilfe der Crew Schabernack fest. Die Euphorie und Erleichterung allerseits ist groß und ich werde umgehend als Salty Dog getauft da ich ja nun meinen ersten Nordsee-Törn geschafft habe (Ich habe gelernt dass das Wattenmeer eben das Wattenmeer ist und nicht die Nordsee. Ich glaube ich habe das zuvor in einem Video durcheinander gebracht.)
Wir melden uns im Hafen und trinken ein Anlege-Bier. Ja Bier und keinen Schnaps. Durch die lange Fahrt, die Aufregung, das Adrenalin, die wenige Nahrung bin ich nach zwei Bier sofort besoffen, bestell noch eindrittes und mache mich beschwingt zurück auf die Illub.
Die Illub liegt im Chaos aber das ist mir egal. Ich räume langsam auf und fasse den Plan in der Hafenkneipe ein kleines Konzert zu geben, denn dort steht ein Piano und das inspiriert.

Abends spiele ich ein bisschen Klavier und nach und nach versammelt sich unsere kleine Segler Familie. Katja und Thomas von der Sasa, Ute und Christoph von der Schabernack und Torsten von der Illub (Ich find es übrigens immer noch total geil und unrealistisch das ich ein Schiff besitze, ha!). 'Konzert' ist vielleicht der falsche Ausdruck. Ich spiele ein bisschen und bekomme von drinnen und draußen Applaus, sehe aber nicht viel von meinem Publikum da das Piano in einer Ecke steht. Zwischen drin quatsche ich auch viel mit 'meinen Leuten'. Irgendwann sind nur noch wir da und die Crew von der Kneipe. Die finden die Atmosphäre aber auch super, bekommen eine KlanFu CD geschenkt und schenken uns mindestens die Hälfte von unserem Deckel. 20€ für 5 Leute, die ständig ein frisches Bier vor sich haben kann einfach nicht stimmen – Dankeschön Marieke!

Die Überführungsfahrt. Man beachte unser Rennen am Ende!

 Die Illub ohne Handbreit Wasser unterm Kiel - dieses mal mit Absicht

Einhand Segelfreund Christoph 

 In meinen Händen: Der tückische Verklicker

 Geschafft!




 Now I'm officially a Salty Dog!

 Seebär erzähl mir was 

Unser Hafen mit... 

 ...und ohne Wasser

 zwei Freundinnen











1 Kommentar:

  1. Hey Tortsen,
    war das ne geile Überfahrt?
    Gruß aus dem Heimathafen
    Christoph

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