Sonntag, 23. August 2015

Tag 63 Abschlusstörn und sinkendes Schiff

Zeit weiter zu fahren. Es ist Sonntag und Inga muss zurück nach Münster. Es ist Sonntag und ich muss weiter in Richtung NOK (Nord-Ostsee-Kanal). Immerhin habe ich dort am Dienstag einen Krantermin für die Illub auf der Rader Insel bei Rendsburg. Unser Frühstück zieht sich aber in die Länge. Obwohl wir fast ununterbrochen gequatscht haben seit Inga an Bord ist, bleiben doch noch viele wichtige Gedanken zum Leben, der Arbeit, persönlicher Einstellung und Gefühlen die unbedingt geäußert werden müssen. So ist das eben wenn zwei Therapeuten und Hobby-Psychologen sich selten sehen. Auch 29 Stunden nonstop Gequatsche auf einem Segelboot reichen nicht aus um alles los zu werden !-)
Irgendwann haben wir es dann aber doch geschafft und ich bin bereit um 13:00h auszulaufen. Ich will in die Kieler Förde bis zur Schleuse Holtenau und dort übernachten. Der Wind bläst kräftig wieder irgenwo zwischen 5-7Bf, je nachdem welche Messstation abgefragt wird. Ich bin ein bisschen aufgeregt, mache mich aber wacker auf. Soll ich nochmal über An- und Ablegenmanöver sprechen?!? Es klappt immer öfter und lässt mich in zwischen auf immer mehr kalt – ha!
Draußen ist es wirklich windig und die Wellen lassen sich auch sehen. Immer wieder brechen diese und wenn das Timing mit der Illub stimmt, dann bekomme ich eine ganze Badewanne voll ins Cockpit. Dann kracht es und ich kann sehen wie das Wasser im hohen Bogen auf mich zu kommt. Meine Reaktion besteht meist darin mein Gesicht mit dem Arm zu schützen und eine kalte Schulter zu zeigen. Natürlich werde ich trotzdem nass und meine Brille ist bald auch keine Sehhilfe mehr, zu viel Salz und Wasserflecken. Egal! Ich singe „Abschlusstörn Abschlusstörn Abschlusstörn“ und freue mich noch einmal so richtig Fahrt zu machen und gegen die Wellen anzubolzen! Ach ja, der Sommer geht zu Ende. Jetzt wird mir das so richtig klar. Wenn ich erstmal im Kanal bin, sehe ich das Meer mit meiner Illub so schnell nicht wieder. Obwohl ich inzwischen „satt“ geworden bin, was das Segeln angehet und gerne nach Hause fahre, bin ich ein wenig traurig. Aber nur ein bisschen denn es wird noch mal spannend. Ich habe den Ehrgeiz auf einem Bug, also ohne zu Wenden, bis in die Kieler Förde zu gelangen. Das ist bei derzeitiger Windrichtung und dem Wellengang nicht ganz einfach und erfordert Konzentration um maximale höhe zu laufen. Am „Eingang“ der Förde schrappe ich nur knapp unter Land vorbei und starte sogar meine Machiene für Notfälle. Es steht extra ein kleiner Leuchtturm auf der Landspitze, da Untiefen und Steine auf dem Meeresboden weit ins Wasser hinaus gehen. Meine Karte verspricht mir sicheres durchkommen und ich lasse es drauf ankommen! Im Nachinein vielleicht ein bisschen riskant, denn mein Tiefenmesser zeigt mit 2,1m Wassertiefe. Die Illub ist 1,2m Tief aber der Tiefenmesser hat auch schon Quatsch angezeigt... In voller Fahr rausche ich drüber weg und bin dann glücklich in der Kieler Förde angekommen und kann den Motor wieder abstellen.
Als ich die Schleuse erreiche mache ich den Funk an und höre mal was gerade los ist. Vor den Toren wartet schon eine andere Yacht, die ich auch noch besser kennen lernen werde. Eigentlich hatte ich vor hier Schluß zu machen und erst am Folgetag weiter zu Fahren aber die Schleuse wird sich in 15 Minuten für Sportboote öffnen und ich hätte auch noch die Zeit um bis zur Rader Insel durch zu fahren. Lets do it!
Die Schleusentoore öffnen sich und zwei Containerriesen verlassen die Kammer. Über Funk kommt die Aufforderung zügig einzufahren. Diesmal bin ich der erste der festmacht, dann kommt die andere Yacht, die schon vor mir gewartet hat und dann noch zwei weitere Schiffe. Eines davon ist locker 16m lang, wunderschön und wird von einem Rentnerpaar gesegelt. Die haben aber ein großes Problem bei dem starken Wind von hinten fest zu machen und drohen umzuschlagen. Ich kenne das ja noch aus meinen ersten Schleusenerfahrungen allerdings ist so ein großes Schiff ein größeres Problem wenn es außer Kontrolle gerät. Zu dritt schaffen wir es aber das Schiff ordentlich fest zu machen.
Nach dem Bezahlen der Schleuse stelle ich mit Schrecken fest, dass meine Bodenbretter Schwimmen. Ich sinke! Sofort fange ich an zu Lenzen (Pumpen) und überlege woher das Wasser kommen könnte. Ich habe schon lange nicht mehr gelenzt und etwas Wasser kommt immer durch die undichten Backskisten, dann tropft noch mein Kühlwasser aber reicht das schon für so viel?!? Mein Nachbar kommt und wir Quatschen ein bisschen während ich mein Schiff leer pumpe. Dann erklingt die Sirene, die besagt dass das Tor sich öffnet und wir weiter Fahren sollen. Draußen warten schon die nächsten Berufsschiffe und wir sind zur Eile angehalten. Ein Blick in die Kajüte und meine Bodenbretter schwimmen schon wieder! Ich sinke wirklich!!! Also Lenzen und aus der Schleuseneinfahrt manövrieren. Mein Nachbar bekommt mit, dass ich immer noch Probleme habe und bleibt in Rufweite. Ich beauftrage meinen Autopiloten und begebe mich unter Deck. Die Seeventile sind geschlossen und dich, im Mototrraum... ist alles Nass! Der Frostproppen, über dessen Funktion ich erst eine Woche zuvor in Maasholm gelernt hatte, ist durchgerostet. Ein Daumengroßes Loch ist in meinem Motor aus dem das Kühlwasser in Abhängigkeit von den Drehzahlen in mein Schiff gepumpt wird. Ich muss schnell wieder hoch zum Lenzen und schaune, dass ich keine Kollision verursache, denn ich bin immer noch in Bewegung und immer noch in einem Gebiet mit viel Verkehr...
Ich erkläre meinem Nachbar was los ist und er bietet an in meiner Nähe zu bleiben. Das beruhigt mich! Wenn ich den Motor abstellte, käme kein Wasser in mein Schiff. Es ist aber verboten auf dem NOK zu segeln und bei Dunkelheit darf ein Sportboot auch nicht mehr unter Wegs sein. Jetzt ist es 18:00h und ich habe noch ca. 12sm vor mir – also 2,5 Stunden bei Marschfahrt.
Der Abend ist herrlich sonnig und mild aber aus der gemütlichen Kanalfahrt wird nichts! Ständig muss ich lenzen. Wenn ich pinkeln war steht das Wasser wieder bis unter die Bodenbretter. Damit ich weniger Drehzahlen benötige und trotzdem noch voran komme, benutze ich zusätzlich die Genoa. Freundlicherweise kommt der Wind immer noch von Osten, so dass ich problemlos Motorsegeln kann. Leider ist der Wind böig und gibt mir mal 2 Knoten extra Fahrt und mal muss ich das Segel hin und her nehmen um überhaupt einen Effekt zu haben. Dazu kommt noch das kontinuierliche Lenzen, die Containerriesen und gelegentliche Fähren, die meinen Weg kreuzen. Der Vorteil ist, ich habe immer zu tun und die Zeit vergeht wie im Flug!
Mein Begleiter fährt noch einen Hafen weiter. Ich nutze aber die Chance mich mit einer KlangFu CD bei ihm für seinen Geleitschutz zu bedanken. Das hat die ganze Situation sehr entspannt. Wäre irgendetwas schief gegangen hätte ich nur nach Hinten Winken müssen und er wäre zum Abschleppen bereit gewesen. Vielen herzlichen Dank dafür!
Im Allgemeinen kann man aber über die Segler sagen, dass alle hilfsbereit sind und man sich auf seine Nachbarn verlassen kann. Klar das auch gelästert wird, aber davon habe ich wenig mitbekommen und im Ernstfall wird nicht gefragt sondern tatkräftig geholfen. Zum Glück ist das auch ein Stück Realität der Gegenwart. Die Nachrichten lassen einen ja manchmal glauben, dass es keine Menschlichkeit, keine Hilfsbereitschaft und Selbstlosikeit mehr auf der Welt gibt. Unter den Seglern ist das zumindest nicht so und das tut gut mal zu erfahren.
Ganz im Stile von Captain Jack Sparrow komme ich mit meinem sinkenden Schiff auf der Rader Insel an und kann erleichtert festmachen (natürlich werde ich von anderen Seglern empfangen und man Hilft mir (unnötigerweise;) beim Anlegen).
Es dauert noch eine ganze Weile biss ich ich so weit aufgeräumt und gewischt habe, dass ich einigermaßen trocken schlafen kann. Das viele Kühlwasser ist nämlich nicht nur in die Kajüte gespritzt, sondern auch auf dem Motorblock verdampft und hat alles in ein Dampfbad verwandelt. Aber egal ich habe es geschafft! Hier kommt das Schiff aus dem Wasser und ich kann mich bei Gelegnheit um alles kümmern.
Schlafen ist jetzt das Wichtigste – halt! Eben noch bei meiner liebsten Sarah anrufen und sagen, dass ich sicher durch den Wind gekommen bin. Den Rest der Story erzähle ich morgen lieber...




 Aschlusstörn, Abschlusstörn!



Das Leck im Motorblock


In ca. 3min. läuft die Bilge bei Vollgas voll!

Die Motorwärme und das mechanische zerstäuben des Wassers verwandeln das Interieur der Illub in ein Dampfbad


Mein freundlicher Begleiter aus der Schleuse. Vielen Dank für die Sicherheit eines Verbündeten, der mich abschleppen könnte, auf dieser Abenteuerfahrt!

Trotz allem eine schöne Fahrt :-)












2 Kommentare:

  1. Yon's my privateer
    See how trim she lies
    To every man a lucky hand
    And every man a prize
    I live to ride the ocean
    The mighty world around
    To take a little plunder
    And to hear the cannon sound
    To lay with pretty women
    To drink Madeira wine
    To hear the rollers thunder
    On a shore that isn't mine

    https://www.youtube.com/watch?v=wiw6tVBWTpk

    AntwortenLöschen
  2. Der Robin fragt nach deinem Motor, wie gross ist er denn, was genau ist da kaputt, ich bin nicht ganz schlau geworden aus der beschreibung!!

    AntwortenLöschen