Dienstag, 18. August 2015

Tag 58 kleine Session, große Fahrt

Immer noch pfeift der Wind mit 7Bf ganz schön kräftig. Ich hole mein Mikrofon heraus und nehme das Amelander-Riff auf. Seit langem habe ich kein Lied mehr gemacht, dieses kleine Riff gefällt mir seit langem mal wieder sehr. Trotzdem bleibt es bei der Instrumentalversion. Ich probiere ein bisschen mit Worten herum aber mag nichts davon leiden. Eigentlich dachte ich ja das diese Reise auch ein musikalischer Impuls wird, aber davon bin ich ziemlich weit entfernt. Egal! Dafür war es bis hier eine großartige Reise mit vielen Herausforderungen und reichen Erlebnissen und Begegnungen – ich sollte mir vielleicht nicht zu viel vornehmen.
Ich komme schräg drauf, packe meine Sachen und wage mich um 13:00h doch noch hinaus! Beim Ablegen hilft mein Stegnachbar, denn es blasen ungefähr 7 Windstärken. Aus dem Hafen fahrend bemerke ich, dass ich nicht ordentlich vorbereitet bin. Meinen Fallen sind nicht klar, die Fock noch festgelascht und das Reff im Groß noch nicht eingebunden. Ich schimpfe ein bisschen über mich. Wenn ich Passagiere habe soll mir so etwas nicht passieren! Ist nicht gut für die Moral und das Sicherheitsgefühl. Da ich aber alleine bin ist es egal, mache ich die Dinge eben bei Schaukelei und steuerlosem Schiff auf offener See.
Es ist genial wie der Wind dann in die Segel pack, die Illub sich auf die Seite legt und wir mit bis zu 7Knoten über das Meer zischen. Es ist recht böig daher sind wir mal schneller und mal langsamer. Das Gefühl für mein Schiff verändert sich total. Was vorher noch Rückzugsort und mittelgroße Höhle gewesen ist wird im Wasser ein kleines Spielzeug der Elemente. Wir werden von Böen gepackt, von Wellen geschaukelt und rasen quasi über das Wasser. Ich Fahre eine Strecke, die mich auf dem Hinweg ca. 2 Stunden gekostet hat in einer halben wieder zurück!
Dann beginnt das Kreuzen gegen den Wind. Der schläft für einen Augenblick ein, so dass ich mich schon enttäuscht ärgere so lange mit dem Herausfahren gezögert zu haben. Ich Reffe aus und mache dabei mein Niederholer etwas kaputt. Mist! Refffen ist mir ja noch nie so richtig von der Hand gegangen. Das muss ich unbedingt ändern wenn ich jemals über mehre Tage über irgendwelche Ozeane fahren möchte. Für den Moment ist das aber kein Problem. Das Segel steht und der Wind kommt auch zurück. Wir düsen wieder. Allerdings mit Abstrichen: um überhaupt Höhe zu gewinnen, also Strecke gegen den Wind gut zu machen, kann ich keinen schönen Kurs fahren und so killt mein Vorsegel die ganze Zeit über (es flattert am Rand und steht nicht schön). Das nervt mich und und ist nicht materialschonend aber ich finde keinen anderen Weg. Im ganzen sehe ich fünf andere Schiffe außer mir auf dem Wasser. Alle kämpfen wie ich um voran zu kommen. Leider mit mehr Erfolg als ich und so zieht eines nach dem anderen an mir vorbei. Mir ist es fast egal, wenn nur meine Segel richtig stehen würden... Ich finde mich damit ab, versuche zu Essen und zu Lesen. Irgendwann frischt der Wind aber so weit auf und die Wellen steigen, dass ich immer wieder 'geduscht' werde. Alle 50 oder 100 Wellen kommt eine so ungünstig, dass ich buchstäblich mit Badewannen beworfen werde – noch finde ich das witzig. So gehen die Stunden dahin. Ich stehe am Ruder und balanciere auf dem unruhigen Schiff unter mir, das sich sicherlich 40° zur Seite neigt. Wenn mal wieder ein Wendemanöver ansteht tue ich so als wäre ich auf einem richtig großen Schiff und Rufe Befehle, die ich dann in unterschiedlichen Stimmlagen wiederhole: 

„Readdy to go about?!“     „Readdy to go about!“      „Readdy to go about!“     „Readdy to go about!“

„Hol' dicht die Vorschot!“     „Hol' dicht die Vorschot!“     „Hol' dicht die Vorschot!“

Das dabei Englisch und Deutsch durcheinander gehen ist mir egal. Manches finde ich besser klingend manche Ausdrücke kenne ich nur in der einen oder andern Sprache. Matrosen sind aber schon immer ein bunter internationaler Haufen gewesen, von daher vielleicht ganz passend.
Inzwischen bin ich seit mehr als 5 Stunden auf dem Wasser und komplett durchnässt. Meine Regenkleidung hält eben nicht 100% dicht, außerdem habe ich die Bündchen am Handgelenk im Vorfeld nicht zu gemacht und keine Gummistiefel angezogen. Sollten ja nur 4 Stunden werden... Bei der nächsten Wende „reißt“ mir die Großschot los und mein Segel ist außer Kontrolle! Ich bin selber Schuld weil ich einen Traveler nicht richtig eingerastet habe – war zu beschäftigt meine Kommandos in den Wind zu rufen ;-) Ich habe mich richtig erschrocken, obwohl es im Ende kein Problem war, lass ich mich mal wieder treiben, werfe die Vorschot los, sammele meine Großschot ein als ich im Wind stehe, baue alles wieder zusammen und fahre weiter.
Noch bin ich zwar kalt aber guter Dinge. Dann entdecke ich, dass sich wieder eine von meinen Segellatten verabschieden will. Fluchend und die Segellatte beruhigend, das sie doch an Bord bleiben soll, hole ich mein Segel runter und rette die Latte. Dieses Spiel kenne ich ja schon von Tag40. 
Danach habe ich aber keine Lust mehr das Segel erneut zu setzen und fahre als Motorsegler mit Fock weiter. Die will mir dann aber auch nicht mehr helfen, also packe ich sie auch weg. Unter Motor kann ich jetzt den direkten Kurs steuern. Leider bin ich dadurch auch nicht schneller weil Wind und Wellen mich sehr stark bremsen. So mache ich mich im Schneckentempo auf, die letzten 3Meilen zu bewältigen. Meine Brille ist total versalzen und die Sicht schlecht, dadurch habe ich noch einmal mehr das Gefühl gar nicht vom Fleck zu kommen. Ich hab kein Bock mehr. Von hinten kommt eine kleine Benetau immer näher, natürlich noch unter Segeln und in einem Winkel zum Wind, von dem ich mit der Illub nur träumen kann. Sausack mit seinem modernen Boot!
Ungefähr zeitgleich erreichen wir Schleimünde. Gnädiger weise komme ich einen Tick früher rein, außerdem will er nicht in den selben Hafen wie ich und so trennen sich unsere Wege nach 2 Stunden Verfolgungsjagt. Ich wette ich habe den Typen ganz schön motiviert und happy gemacht das er mich so versägen konnte.
Im Hafen helfen mir zwei Jungs beim Anlegen. Super nette Typen und auch noch mein Alter. Das ist selten. Das Schiff die „Najade“ habe ich auch schon mal in der Nordsee gesehen. Wir unterhalten uns eine Weile am Steg und ich habe vor auf ein Bierchen herüber zu gehen. Nachdem ich aber Klarschiff gemacht habe und eine warme Suppe gegessen schlafe ich aber sofort ein.











1 Kommentar:

  1. Hast'de da nicht direkt die Lyrics für deinen neuen Song? Zugerufenes Seegler Kauderwelsch auf hoher See...

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