Montag 01. August
Fehlstart mit
Propeller Pannen
Der Morgen beginnt
langsamer als gedacht. Sarah geht es dummerweise nicht gut und zu
allem Überfluss hat sie noch ein schlechtes Gewissen deswegen. Wir
überzeugen sie, dass sie liegen bleiben darf und wir aber trotzdem
auslaufen wollen. Gegen Mittag ist es dann so weit. Das Schiff ist
aufgeklart, das Manöver mit meinen neuen Leichtmatrosen besprochen
und die Maschine läuft. Anselm steht an der Bugleine und soll uns
gegebenen Falls von den Nachbarschiffen klar halten. Sarah ist unter
Deck und Marleen darf sich kutschieren lassen. Im Notfall soll sie
mein Joker sein und uns bei bedarf abhalten. So weit so gut.
„Steuerbord Vorleine los!“, „Steuerbord Achterleine los!“ und
dann Backbord Vorleine mitfiehren während ich das Schiff an der
verbleibenden Achterleine aus der Box bugsiere und dann mit dem Motor
Schub gebe. Aber was ist das?!? Ich habe keinen Schub! Weder Vorwärts
noch rückwärts. Anselm hat gut zu tun und auch Abhalte-Jocker
Marleen komm zum Einsatz. Zum Glück ist der achterliche Wind nicht
stark und so haben wir das Schiff binnen Minuten wieder sicher
festgemacht. Ich teste den Schub erneut und vernehme ein ungesundes
„Klonk“ aus dem Schiffsrumpf. Dann ein viel zu flimmsiges „Bsss“
welches so gar nichts mit dem gewohnten „wupp wupp wupp“ und
„pötta pötta pötta“ des Motors und Propellers zu tun hat. Als
Gastgeschenk hatten mir die Beiden neben einer stylischen WV-Bulli
Dose und Kaffe eine Taucherbrille mitgebracht. Diese kommt jetzt gut
zu pass und ich schaue nach, was denn da unten los ist. Überwindung
kostet mich der Tauchgang schon neben Quallen und Seegras im
Hafenbecken unter das Schiff zu Tauchen. Aber ich erinnere mich an
die Nordsee und bin einfach froh über das klare Wasser und die gute
Sicht in der Ostsee. Unter dem Schiff stellt sich heraus, dass wir
tatsächlich unseren Propeller verloren haben!!! Ich glaube es kaum
aber der liegt einen Meter weiter im Schlick. Tausend Gedanken gehen
mir gleichzeitig durch den Kopf: Hatte ich also doch Grund zu meiner
Schlaflosen Nacht in Jever bevor es los ging. Zurecht habe ich dem
Sound nicht getraut und selten Vollgas gegeben als ich mit Max und
Dominik gefahren bin. Gut, dass das Jetzt und Hier im Hafen passiert
ist und nicht schon bei der Klappbrücke letzte Woche (26.07). Was
für ein Glück! Was für eine Scheiße! Jetzt muss ich wieder alles
auseinander nehmen und neu montieren; diesmal aber im Wasser!
Hoffentlich ist die Fahrt nicht zu Ende! …
Mit dem Propeller in
der Hand tauche ich auf und versuche nicht zu kleinlaut zu klingen
als ich den Anderen die Situation erkläre. Ich hoffe auch das ich
das Vertrauen in Skipper und Schiff nicht schon beim ersten Manöver
verspielt habe. Aber es hilft ja nichts. Es ist wie es ist. Nach
kurzer Beratschlagung machen Anselm und ich uns dran den Propeller
auseinander zu nehmen und zu reinigen. Alles Schmierfett muss runter
denn überall ist es mit Schlick und Sand kontaminiert. Dann müssen
wir rauskriegen wie wir alles wieder richtig und sicher
zusammensetzen können ohne das Schiff zu versenken. Die Bilanz sah
zunächst nicht so gut aus. Es fehlten ein Bolzen plus
Unterlegscheibe und – viel wichtiger – ein Scheerstift (sieht aus
wie eine halbe Euromünze, nur kleiner und dicker). Letzterer ist
essenziell und speziell. So einen Bolzen kann man einfach im Baumarkt
auftreiben aber der Scherstift... Zum Glück sind Albin Vegas in
Dänemark nicht selten. Allein an diesen Stegen liegen drei im Wasser
und eine sehr heruntergekommene Vega steht beim Nachbarverein auf dem
Hof. Dort ist unsere erste Adresse um Ersatz zu suchen. „No. This
guy... it's the whole boat or nothing!“, ist unsere Abfuhr. Wir
können noch eine ca. 50km entfernte Adresse von einem Motoren Laden
aus dem Typen herauskitzeln, aber das ist auch alles.
Na gut, dann eben
nicht... wir machen trotzdem weiter. Ich gehe noch einmal auf
Tauchstation in der verzweifelten Hoffnung dieses 3cm große Stück
Metall doch noch im Schlick zu finden. Aber das ist natürlich eine
Fehlanzeige. Wir lassen uns nicht entmutigen! Beim weiteren reinigen
und zerlegen der Maschine versuche ich mir zuverlässige Alternativen
und workarounds einfallen zu lassen und plötzlich stoße ich mit
meinem Schraubenzieher, den ich zum Auslöffeln des Schmierfetts
benutzt habe, beim Abwischen auf den Scherstift! Ich kanns gar nicht
fassen. Da hat sich dieses Mistding einfach im
Fett-Schleim-Schmock-Geschmier versteckt. Großartig!!!
Von da an geht die
Reparatur beschwingt voran. Den fehlenden Bolzen können wir doch
locker ersetzen. Aber es wird noch spannend. Erst wollen die, von mir
großzügig mit Flüssigdichtung versehenen, Getriebeteile nicht
wieder auseinander gebaut werden und zweitens müssen wir die Welle
im schwimmenden Boot ziehen. Das bedeutet das unter der Wasserlinie
ein etwa 5cm Loch entsteht durch das Wasser ungehindert ins Boot
fließen kann. Keine wirklich gute Idee... Wir machen es trotzdem!
Anselm der Taucher macht sich bereit und ich stehe mit einem
gedrehten Lappen als Korken parat. Normalerweise benutzt mann
konische Holzstopfen, ähnlich wie die Weinflaschen Verschlüsse aus
der Küche, aber so etwas haben wir natürlich nicht. So muss ein
Aufnehmer reichen, der zuvor schon einiges an GetriebeFett abbekommen
hat. Es geht los. Anselm zieht auf Zuruf die Welle und ein
Feuerwehrschlauch artiger Schwall Wasser ergießt sich ins Boot. Ich
halte meine Hand davor und kann mit dem Lappen tatsächlich den
Wassereinbruch stoppen. Wie lange? Keine Ahnung. Sarah und Marleen
müssen Wache schieben und Lenzen so lange wie Anselm und ich die
Welle und den Propeller reinigen, erneut und extrem gründlich fetten
und wieder zusammensetzen. Jetzt fehlt nur noch der Bolzen.
Inzwischen ist es Abend und kein Baumarkt hat mehr offen. Aber wir
sind ja an einem Bastelsteg wo viele Boote nicht schön aussehen, die
Leute aber jede Menge Werkzeug und Material haben. Taucher Anselm,
barfuß mit Handtuch um die Hüften und ich mit zerrissener und vor
Öl und Fett starrender Mechanikerkluft, ziehen mit der Welle und dem
Propeller bewaffnet los. In der Kneipe nebenan treffen wir auf
Säufer, die keinen Bock haben sich mit uns zu befassen. Der
Barkeeper verweist aber auf „den Araber da hinten“ und siehe da
er ist gewillt uns zu helfen.
„Never judge a
book by it's cover“ „der Araber“ (leider hab ich den Namen
vergessen) entpuppt sich als Besitzer der Kneipe und hat
Schlüsselgewalt über nahezu alle Schuppen am Platz. Zudem nimmt er
sich die Zeit mit uns mehr als eine halbe Stunde jeden Werkzeugkasten
zu durchforsten. Alles auf der Suche nach einem M10 Bolzen,
vorzugsweise aus Messing oder V4 Niroster Stahl. Trotz der vielen
Schlüssel und Schuppen und Werkzeugkisten keine leichte Aufgabe. Am
Ende Flexen wir uns einen zu langen M10 Bolzen zurecht, der zwar
rostfrei aber nur aus V2 Stahl ist. Das bedeutet er wird früher oder
später rosten, dann festrosten und schließlich meine Welle
unbrauchbar machen. Aber das soll ich erst etwas später
herausfinden. Für den Moment sind wir überglücklich denn es sieht
so aus als könnten wir unsere Mission erfüllen und am Ende doch
noch zu unserem Segeltörn aufbrechen!
In zwischen ist es
fast dunkel aber Anselm gibt sich einen Ruck und taucht ein letztes
mal unter das Schiff um die Welle wieder einzusetzen. Wir sind zwar
schon müde und es wäre ein guter Moment um Feierabend zu machen
aber ich werde nicht schlafen können wenn das einzige was mein
Schiff vom Sinken abhält ein fettiger Putzlappen ist. Um 22:30h ist
es geschafft. Wir haben Propeller, Welle und Getriebe in einem 7 ½
stündigen Kraftakt auseinander und wieder zusammen gebaut. Alles
gereinigt und neu gefettet. Morgen müssen wir noch die Einstellung
vornehmen und es gib eine reale Hoffnung, dass wir Nachmittags
auslaufen können.
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