Zeit weiter zu
fahren. Es ist Sonntag und Inga muss zurück nach Münster. Es ist
Sonntag und ich muss weiter in Richtung NOK (Nord-Ostsee-Kanal).
Immerhin habe ich dort am Dienstag einen Krantermin für die Illub auf der Rader
Insel bei Rendsburg. Unser Frühstück zieht sich aber in die Länge.
Obwohl wir fast ununterbrochen gequatscht haben seit Inga an Bord
ist, bleiben doch noch viele wichtige Gedanken zum Leben, der Arbeit, persönlicher Einstellung und Gefühlen die unbedingt geäußert werden müssen. So
ist das eben wenn zwei Therapeuten und Hobby-Psychologen sich selten
sehen. Auch 29 Stunden nonstop Gequatsche auf einem Segelboot reichen
nicht aus um alles los zu werden !-)
Irgendwann haben wir
es dann aber doch geschafft und ich bin bereit um 13:00h auszulaufen.
Ich will in die Kieler Förde bis zur Schleuse Holtenau und dort
übernachten. Der Wind bläst kräftig wieder irgenwo zwischen 5-7Bf,
je nachdem welche Messstation abgefragt wird. Ich bin ein bisschen
aufgeregt, mache mich aber wacker auf. Soll ich nochmal über An- und
Ablegenmanöver sprechen?!? Es klappt immer öfter und lässt mich in
zwischen auf immer mehr kalt – ha!
Draußen ist es
wirklich windig und die Wellen lassen sich auch sehen. Immer wieder
brechen diese und wenn das Timing mit der Illub stimmt, dann bekomme
ich eine ganze Badewanne voll ins Cockpit. Dann kracht es und ich
kann sehen wie das Wasser im hohen Bogen auf mich zu kommt. Meine
Reaktion besteht meist darin mein Gesicht mit dem Arm zu schützen
und eine kalte Schulter zu zeigen. Natürlich werde ich trotzdem
nass und meine Brille ist bald auch keine Sehhilfe mehr, zu viel Salz und Wasserflecken. Egal! Ich
singe „Abschlusstörn Abschlusstörn Abschlusstörn“ und freue
mich noch einmal so richtig Fahrt zu machen und gegen die Wellen
anzubolzen! Ach ja, der Sommer geht zu Ende. Jetzt wird mir das so
richtig klar. Wenn ich erstmal im Kanal bin, sehe ich das Meer mit
meiner Illub so schnell nicht wieder. Obwohl ich inzwischen „satt“
geworden bin, was das Segeln angehet und gerne nach Hause fahre, bin
ich ein wenig traurig. Aber nur ein bisschen denn es wird noch mal
spannend. Ich habe den Ehrgeiz auf einem Bug, also ohne zu Wenden,
bis in die Kieler Förde zu gelangen. Das ist bei derzeitiger
Windrichtung und dem Wellengang nicht ganz einfach und erfordert
Konzentration um maximale höhe zu laufen. Am „Eingang“ der Förde
schrappe ich nur knapp unter Land vorbei und starte sogar meine
Machiene für Notfälle. Es steht extra ein kleiner Leuchtturm auf
der Landspitze, da Untiefen und Steine auf dem Meeresboden weit ins
Wasser hinaus gehen. Meine Karte verspricht mir sicheres durchkommen
und ich lasse es drauf ankommen! Im Nachinein vielleicht ein
bisschen riskant, denn mein Tiefenmesser zeigt mit 2,1m Wassertiefe.
Die Illub ist 1,2m Tief aber der Tiefenmesser hat auch schon Quatsch
angezeigt... In voller Fahr rausche ich drüber weg und bin dann
glücklich in der Kieler Förde angekommen und kann den Motor wieder
abstellen.
Als ich die Schleuse
erreiche mache ich den Funk an und höre mal was gerade los ist. Vor
den Toren wartet schon eine andere Yacht, die ich auch noch besser
kennen lernen werde. Eigentlich hatte ich vor hier Schluß zu machen
und erst am Folgetag weiter zu Fahren aber die Schleuse wird sich in
15 Minuten für Sportboote öffnen und ich hätte auch noch die Zeit
um bis zur Rader Insel durch zu fahren. Lets do it!
Die Schleusentoore
öffnen sich und zwei Containerriesen verlassen die Kammer. Über
Funk kommt die Aufforderung zügig einzufahren. Diesmal bin ich der
erste der festmacht, dann kommt die andere Yacht, die schon vor mir
gewartet hat und dann noch zwei weitere Schiffe. Eines davon ist
locker 16m lang, wunderschön und wird von einem Rentnerpaar
gesegelt. Die haben aber ein großes Problem bei dem starken Wind von
hinten fest zu machen und drohen umzuschlagen. Ich kenne das ja noch
aus meinen ersten Schleusenerfahrungen allerdings ist so ein großes
Schiff ein größeres Problem wenn es außer Kontrolle gerät. Zu
dritt schaffen wir es aber das Schiff ordentlich fest zu machen.
Nach dem Bezahlen
der Schleuse stelle ich mit Schrecken fest, dass meine Bodenbretter
Schwimmen. Ich sinke! Sofort fange ich an zu Lenzen (Pumpen) und
überlege woher das Wasser kommen könnte. Ich habe schon lange nicht
mehr gelenzt und etwas Wasser kommt immer durch die undichten
Backskisten, dann tropft noch mein Kühlwasser aber reicht das schon
für so viel?!? Mein Nachbar kommt und wir Quatschen ein bisschen
während ich mein Schiff leer pumpe. Dann erklingt die Sirene, die
besagt dass das Tor sich öffnet und wir weiter Fahren sollen.
Draußen warten schon die nächsten Berufsschiffe und wir sind zur
Eile angehalten. Ein Blick in die Kajüte und meine Bodenbretter
schwimmen schon wieder! Ich sinke wirklich!!! Also Lenzen und aus der
Schleuseneinfahrt manövrieren. Mein Nachbar bekommt mit, dass ich
immer noch Probleme habe und bleibt in Rufweite. Ich beauftrage
meinen Autopiloten und begebe mich unter Deck. Die Seeventile sind
geschlossen und dich, im Mototrraum... ist alles Nass! Der
Frostproppen, über dessen Funktion ich erst eine Woche zuvor in
Maasholm gelernt hatte, ist durchgerostet. Ein Daumengroßes Loch ist
in meinem Motor aus dem das Kühlwasser in Abhängigkeit von den
Drehzahlen in mein Schiff gepumpt wird. Ich muss schnell wieder hoch
zum Lenzen und schaune, dass ich keine Kollision verursache, denn ich
bin immer noch in Bewegung und immer noch in einem Gebiet mit viel
Verkehr...
Ich erkläre meinem
Nachbar was los ist und er bietet an in meiner Nähe zu bleiben. Das
beruhigt mich! Wenn ich den Motor abstellte, käme kein Wasser in
mein Schiff. Es ist aber verboten auf dem NOK zu segeln und bei
Dunkelheit darf ein Sportboot auch nicht mehr unter Wegs sein. Jetzt
ist es 18:00h und ich habe noch ca. 12sm vor mir – also 2,5 Stunden
bei Marschfahrt.
Der Abend ist
herrlich sonnig und mild aber aus der gemütlichen Kanalfahrt wird
nichts! Ständig muss ich lenzen. Wenn ich pinkeln war steht das
Wasser wieder bis unter die Bodenbretter. Damit ich weniger Drehzahlen
benötige und trotzdem noch voran komme, benutze ich zusätzlich die
Genoa. Freundlicherweise kommt der Wind immer noch von Osten, so dass
ich problemlos Motorsegeln kann. Leider ist der Wind böig und gibt
mir mal 2 Knoten extra Fahrt und mal muss ich das Segel hin und her
nehmen um überhaupt einen Effekt zu haben. Dazu kommt noch das
kontinuierliche Lenzen, die Containerriesen und gelegentliche Fähren,
die meinen Weg kreuzen. Der Vorteil ist, ich habe immer zu tun und
die Zeit vergeht wie im Flug!
Mein Begleiter fährt
noch einen Hafen weiter. Ich nutze aber die Chance mich mit einer
KlangFu CD bei ihm für seinen Geleitschutz zu bedanken. Das hat die
ganze Situation sehr entspannt. Wäre irgendetwas schief gegangen
hätte ich nur nach Hinten Winken müssen und er wäre zum
Abschleppen bereit gewesen. Vielen herzlichen Dank dafür!
Im Allgemeinen kann
man aber über die Segler sagen, dass alle hilfsbereit sind und man
sich auf seine Nachbarn verlassen kann. Klar das auch gelästert
wird, aber davon habe ich wenig mitbekommen und im Ernstfall wird
nicht gefragt sondern tatkräftig geholfen. Zum Glück ist das auch
ein Stück Realität der Gegenwart. Die Nachrichten lassen einen ja
manchmal glauben, dass es keine Menschlichkeit, keine
Hilfsbereitschaft und Selbstlosikeit mehr auf der Welt gibt. Unter
den Seglern ist das zumindest nicht so und das tut gut mal zu
erfahren.
Ganz im Stile von
Captain Jack Sparrow komme ich mit meinem sinkenden Schiff auf der
Rader Insel an und kann erleichtert festmachen (natürlich werde ich
von anderen Seglern empfangen und man Hilft mir (unnötigerweise;)
beim Anlegen).
Es dauert noch eine
ganze Weile biss ich ich so weit aufgeräumt und gewischt habe, dass
ich einigermaßen trocken schlafen kann. Das viele Kühlwasser ist
nämlich nicht nur in die Kajüte gespritzt, sondern auch auf dem
Motorblock verdampft und hat alles in ein Dampfbad verwandelt. Aber
egal ich habe es geschafft! Hier kommt das Schiff aus dem Wasser und
ich kann mich bei Gelegnheit um alles kümmern.
Schlafen ist jetzt
das Wichtigste – halt! Eben noch bei meiner liebsten Sarah anrufen
und sagen, dass ich sicher durch den Wind gekommen bin. Den Rest der
Story erzähle ich morgen lieber...
Aschlusstörn, Abschlusstörn!
Das Leck im Motorblock
In ca. 3min. läuft die Bilge bei Vollgas voll!
Die Motorwärme und das mechanische zerstäuben des Wassers verwandeln das Interieur der Illub in ein Dampfbad
Mein freundlicher Begleiter aus der Schleuse. Vielen Dank für die Sicherheit eines Verbündeten, der mich abschleppen könnte, auf dieser Abenteuerfahrt!
Trotz allem eine schöne Fahrt :-)