Montag, 14. August 2017

Rügen - Wismar einhand und nonstop

So ging unsere Zeit in Lohme auch schnell dahin und es wird Zeit Sarah nach oben ins Dorf zum Bus zu bringen. Gemein, da das Wetter, heute am Montag, wieder richtig gut geworden ist. Aber so ist das Leben. Sarah muss wieder an die Arbeit und ich muss die Illub endgültig parken gehen. Nachdem Sarah im Bus sitzt mache ich mich daran alles für meine große Überfahrt vorzubereiten. 100 Seemeilen! Die Fahrt nach Bornholm waren 50sm und das hat schon 12Std. gedauert. Der Wetterbericht sagt für den weiteren Tagesverlauf Flaute an, gegen 19:00h soll es dann aus Ost aufbriesen. Genau mein Ding, 3-4 Windstärken aus Ost! Am Dienstag dann ab Mittag auf Süd drehend, was für mich weniger günstig ist. Meine beste Option ist am Nachmittag unter Motor das Kap Arkona zu umrunden und dann am Frühen Abend die Segel zu hissen und die Nacht über durch zu fahren… Ich mach‘s!
Um 13:00h bin ich schon fertig mit den Vorbereitungen und will nicht bis 15:00h warten; dafür bin ich viel zu nervös und auch etwas melancholisch weil Sarah ja gerade gegangen ist. Also rausfahren und was erleben!



Good bye Lohme 
 Kap Arkona voraus
Insel Hiddensee backbord querab 

Der Anfang der Fahrt verläuft ruhig. Ich motore bis ich die Insel Hiddensee erreicht habe. Dabei kann ich gut lesen und in der Sonne Faulenzen. Pünktlich um 19:00h setzt der Wind ein und ich kann die Segel hochziehen bzw. den Motor ausstellen. Zuvor hatte ich die Segel auch schon oben, aber nur um ein wenig Extraspeed zu geben und das Schiff zu stabilisieren. Für die nächsten zwei Stunden bin ich mal das Schiff, dass ich sonst immer so schön und beneidenswert fand: Man sitzt am Strand und im goldenen Licht der Abendsonne zieht noch ein einsames Segelschiff daher. Vom Cockpit aus gesehen auch eine herrliche Erfahrung. Leider muss ich zur Handsteuerung übergehen, da die Wellen und der Wind meinen genauen Kurs mit der Windsteueranlage nicht möglich machen. Ich komme zur Landspitze von Darßer Ort, dort gibt es Strömung, Flachwasserzonen, Naturschutzgebiete und einen Windpark. Wenn ich frühzeitig gut ziele ist das alles kein Problem da zwischen her zu flutschen. Wenn ich aber zu weit im Süden oder im Norden herauskomme, wird das ein ziemliches Gegurke damit ich auch sicher und gut herum komme. Also steuere ich per Hand und werde so leider etwas von dem Sonnenuntergang abgelenkt, da meine Referenzpunkte an Land und nicht in der untergehenden Sonne zu finden sind.


 Die ersten Schiffe von der Hansesail in Rostock. Von denen werden mir noch einige im Dunkeln begegnen.


Und dann beginnt die Nacht.
Pünktlich mit dem versinken der Sonne frischt der Wind deutlich auf. Oder meine ich das nur?Vielleicht spielt die Psychologie eine Rolle aber die spätere Recherche im Wetterbericht verzeichnet stärkeren Wind als ursprünglich vorhergesagt und gibt meinem Gefühl recht. Statt 3-4Bf sind es tatsächlich 4-5Bf. Nichts was ich nicht schon kennen würde aber in der Dunklheit doch beeindruckend. Ich werfe einen letzten Blick auf das rote und grüne Licht, was die Einfahrt des Nothafens Darßer Ort markiert. Letzt Chance Auszusteigen. Quatsch! Genau das hier hab‘ ich mir doch gewünscht. Zugegeben ein bisschen mulmig ist mir aber wie soll ich mich erst fühlen wenn ich im Hafen sitze und nichts zu tun habe. Ich fahre auf jeden Fall weiter!
Dann wird es dunkel und noch dunkler als auch der letzte Schimmer der Sonne vom Himmel verschwindet. Ich wundere mich und suche den Mond. Vor fünf Tagen war noch Vollmond, da muss doch noch was von dem Kollegen übrig sein. Keine Chance. Dafür blinkt und blitzt es reichlich um mich herum. Da ist der Windpark mit gefühlten tausend Lichtern, der Leuchtturm bei Darßer Ort, die Gefahrentonne und noch jede Menge andere Seezeichen, die so weit weg sind, dass ich sie nur grob zu Rostock oder dem Seetrennungsgebiet zuordnen kann.
Ich kann die Windsteueranlage wieder in Betrieb nehmen und lege mich ins Cockpit. Es ist sternenklar. Nach einiger Zeit haben sich meine Augen eingestellt und ich sehe so viele Sterne wie selten zuvor. Auch Sternschnuppen häufen sich und ich wünsche mir fleißig einen Wunsch nach dem anderen, bis mir nur noch Wiederholungen meiner vorherigen Wünsche einfallen. Sollte also klappen hoffe ich.
Einen kleinen Schrecken erlebe ich dann doch noch. Bei meinem routinemäßigem Rundumblick entdecke ich ein neues Licht: rot und weiß. Das bedeutet Schiff in Fahrt; oder nicht?!? Doch! Müsste! So hab ich das gelernt, rot zeigt mir, dass ich die Backbordseite (links) sehe und das weiße Licht ist am Heck angebracht. Meine Perspektive müsste also schräg von hinten sein. Ist aber noch weit weg. Ich lege mich wieder zu meinen Sternen und bin total erschrocken als die kleine Segelyacht 10min. später beim nächsten Rundumblick schon an mir vorbei gesegelt ist. Ups! Und jetzt erkenne ich auch, dass das weiße Licht kein Hecklicht sondern ein Toplicht ist und statt 135° nach achtern (hinten) 360° vom Masttop leuchtet. Ich hoffe der andere Skipper hat etwas besser aufgepasst als ich. Aber das Meer ist groß und das Wort „Nähe“ bezieht sich auf 500 Meter Radius um die Illub herum, hat also nichts mit den gewohnten Dimensionen z.B. im Straßenverkehr zu tun.
So geht es eine ganze Weile entspannt und im Sternenlicht weiter.
Leider stelle ich fest, dass ich dem Seetrennungsgebiet immer näher komme, die Windsteueranlage kann unter diesen, immerhin recht ruppigen Bedingungen mit 1m Welle und 4-5Bf, nicht weiter südlich steuern. Also muss ich mal wieder ran. Wir kommen Warnemünde immer näher und ich wundere mich was hier los ist. Ich sehe gut 20 Schiffe, und das um 01:30h! Einem schönen Dreimaster komme ich relativ nahe, der geisterhaft an mir vorbei zieht. Dann sehe ich mal wieder einer Riesigen Fähre oder einem Kreuzfahrtschiff frontal entgegen. Kurz bin ich erschreckt und dann werden die Abstände deutlicher. So wie so krieg ich immer mal wieder einen kleinen Adrenalinschock wenn sich eine Welle vom Timing und der Wellenhöe passen bricht, dass im Schaum mein rotes Positionslicht reflektiert. Es scheint dann als ob etwas im Wasser schwimmt was viel zu schnell auf dich zu kommt und gegen die Bordwand klatscht. Ich bin bestimmt drei oder vier mal darauf reingefallen. Andererseits hilft es beim wach bleiben. So langsam werde ich müde. Gegen 02:15h denke ich, dass ich weit genug von den Kreuzfahren, Frachtern und sonstigen Hanse Sail Besuchern fern bin, dass ich es mit der Windfahne wieder probieren kann. Da habe ich ja lust drauf: wieder schön im Cockpit liegen und den Sternen zuschauen, dabei gewiegt werden und das gute Gefühl zu haben, dass ich unter Wegs bin. So schön… Leider kommt es anders. Ist ja auch klar. Auf der Illub weiß man nie so genau was man bekommt. Dieses mal muss ich leider feststellen, dass nach 450 Semeilen, ein paar Schrauben harausgebrochen sind und ich fast mein Pendelruder von der Windfahne verloren hätte. Noch hält eine Schraube aber die Steuerwirkung ist dahin. Es ist ohnehin schon doof sie so weit über die Reling bücken zu müssen, es ist zwei Uhr nachts mit ordentlich Wind, und deshalb packe ich beherzt zu und reiße das Ruder komplett ab, um es wenigstens reparieren zu können und nicht ganz neu bauen zu müssen. Im zweiten Gedankengang bin ich aber ganz zufrieden. 450sm mit dem ersten Prototyp, davon hat das Ding vielleicht 200sm oder sogar 250sm gesteuert! Mit diesen Erfahrungswerten kann ich nochmal zu Freun Manu in die Werkstatt und die Version 2.0 in Angriff nehmen; die schafft dann hoffentlich 2500sm.
Für den Moment bedeutet das aber leider das ich bis nach Hause selber steuern muss. Mist. Gerade als es entspannt und chillig werden könnte. Den Elektropilot will ich nicht gebrauchen, da schon meine Positionslampen leuchten und ich die Batterie zum Motorstart benötige.
Ab hier zeigt der „Seegang“ im GPS Track deutlich wie ich im Halbschaf steuere und teilweise nicht den Kompas benutze, sondern meine Saling und einen besonders hellen Stern. Eigentlich total einfach, nur wenn das Schiff schaukelt verliere ich auch den hellsten Stern gelegentlich aus den Augen und dann muss sich erst mal wieder neu orientiert werden. Auf dieser Fahrt stellt sich übrigens auch heraus, dass mein stylischer Kompass unbedingt beleuchtet werden muss. Da war die Stirnlampe mit angenehmem Rotlicht superpraktisch.
Ganz ehrlich – ab hier wird mir die Zeit etwas lang. Es nähert sich zwar bald das Morgengrauen, ein Event dem ich entgegenfieber aber noch ist es für zwei Stunden dunkel, nass und kalt wird es auch. Um 03:20h bemerke ich, dass neben den Leuchttürmen an Land zwei fette rot und grüne Lichter sichtbar sind, die die Hafeneinfahrt von Kühlungsborn markieren. Ich bin so müde und es lockt mich der sichere Hafen. Gleichzeitig ist es ein Umweg und ich möchte es auch gerne schaffen nach Hause zu fahren. Ob die Windfahne jetzt kaputt ist oder nicht. Das letzte Gegenargument ist im Dunkeln bei Wind eine freie Box zu suchen und dort festmachen zu müssen – so müde gar nicht mein Ding.
04:00h Es zeigt sich der Morgen und als ich um 4:45h um „die Ecke“ bin Kühlungsborn endgültig außer Sicht ist färbt sich der Himmel endlich rot und ich weiß, dass ich es geschafft habe. Ich bin durch die Nacht gefahren! Wieder einmal finde ich es doof, steuern zu müssen und nicht nach Hinten schauen und dem Schauspiel zuschauen kann. Ein frischer Tee fällt auch flach und zu Essen gibt‘s nur noch Schokoriegel und Kekse.
Als ich um 06:30h die Insel Poel erreiche ist es Zeit den Motor starten. Zum einen soll er warmlaufen, zum Anderen hat der Wind weiter auf Süd gedreht und ich muss gleich nach Süden abbiegen und durch eine Untiefe – oder einen großen Umweg fahren. Jetzt heisst es Daumen drücken, dass acht Stunden Positionslichter die Batterie noch frisch genug lassen um den Motor in Gang zu setzen. Es kommt wie es kommen muss und der Motor springt nicht an, gibt nicht mal ein Mucks. Na gut. Alle Instrumente und Verbrauer ausstellen und in einer Stunde noch einen Versuch. In der Zwischenzeit versuche ich die Oldschool-Trecker-Ankurbel-Methode. Leider habe ich keine Kurbel, hatte ich nie. Ich probiere es mit dem Schraubenzieher. Das Problem ist, dass ich eine Hand zu wenig habe: Schwung geben, Kompressionshelbel umlegen und gleichzeitig Starterknopf drücken. Theoretisch müssete es auch ohne den Starterknopf gehen aber so oder so tut sich nichts. Ich kann auch nie zu lange herumfummeln weil die Illub in der Zwischenzeit führerlos herumdümpelt. „Eins nach dem Anderen“ sag ich mir und konzentriere mich drauf bis nach Timmendorf auf Poel zu kommen. Durch die Untiefe will ich trotzdem fahren. Ich habe keinen Bock auf Umwege und theoretisch müsste es knapp sein aber passen. Motorgebastel und die Untiefen halten mich wach und ich übe langsam Fahren bei frischem Wind und zu viel Segelfläche. Inzwischen ärgere ich mich schon eine Weile mit der großen Genoa losgefahren zu sein und nicht die Fok benutzt zu haben. So spiele ich mit dem Kurs und den Schoten, dass ich im Falle des Falles nicht mit 5 oder 6 Knoten auf Grund laufe. Letztlich habe ich immer noch 1,5m Wassr unterm Kiel. Bestimmt nicht zu letzt wegen der vielen guten Wünsche, die mir von so vielen lieben Menschen mitgegeben werden „...und immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel!“ Vielen Dank dafür; es hilft!

Endlich habe ich Poel erreicht. Endlich Pause, und Pinkeln und Schlafen! Es ist 07:30h und ich bin seit 18 Stunden auf dem Wasser. Aber auch hier werde ich noch einmal auf die Probe gestellt. Der Hafen ist voll. So voll, dass fünf Schiffe in der Bucht vor der Hafeneinfahrt vor Anker liegen. Keine Chance das ich da unter Segel einlaufen und irgendwo festmachen kann, ohne dass ich etwas kaputt mache, Leute aus dem Schlaf reiße und ein riesen Chaos veranstalte. Also noch etwas durchhalten und weiter zum Stadthafen. In den WS11 komme ich durch die Schmal Rinne niemals rein und dann wäre mir auch alles zu eng. Im Stadhafen kann ich schön längseits an den Kai gehen. Ich fahre also weiter in die wismarer Bucht ein. Leider herrscht inzwische direkter Südwind und ich bräuchte ewig, biss ich in den Stadthafen gekreuzt wäre. Ich habe langsam echt keine Lust mehr und möchte gerne irgendwo fest machen. Zum Glück ist die wismarer Bucht voll von Häfen und so sind Boltenhagen und Hohen Wirschendorf in Reichweite. Ich kenne keine der Marinas und entscheide mich für letztere da der Weg kürzer ist. Natürlich ist es ein winziger Hafen mir enger Fahrrinne und Anfangs weiß ich überhaupt nicht, wo der Eingang ist. Es gibt Tonnen, die die schmale Einfahrt markieren und direkt auf eine Betonmauer und eine Slipanlage führen. Mir ist alles egal. Da liegen Boote hiterm Beton, und irgenwie müssen die von hier nach dort kommen. Schwungvoll, ich kann unter Segel nur schwungvoll, sonst geht die Steuerfähigkeit verloren, fahre ich auf die Betonmauer zu, in dem Vertrauen, dass ich genauso schau bin wie die anderen Skipper. Die sind ja auch in den Hafen reingekommen. Siehe da, es gibt noch andere, kleine, bewachsene Tönnchen. Eigntlich eher drei Luftballons aber genug. Ich fahre rum und muss mich orientiern und entscheiden. Schwimmstege steuerbord querab, T-Form. Gut. Vor der Halberg Rassy ist noch was frei. Halber Wind. Gut. Fok fliegen lassen, Leine nehmen, ...scheiße zu schnell! Ich bemerker einen Panischen Skipper, der kauend aus der großen teuren Segelyacht auf den Steg klettert. Ich sehe ein, dass das so nichts wird, schnappe mir meine Vorschot um wieder Geschwindigkeit zu bekommen und besser steuern zu können. Es geht knapp vorbei an der Halberg Rassy und rasant zu auf den Strand. Steuerbord, die Yacht, an Backbord Flachwasser, voraus noch die kleinen offenen Anglerboote. Ich drehe mich um entdecke doch noch eine Lücke auf der anderen Seite vom T-Stück des Steges und mache eine rasante Halse (Großsegel war schon vor dem Hafen geborgen) und einen butterweichen Aufschießer in die Lücke. Die Geschwindigkeit passt so gut, dass der Skipper und seine Frau mich mit dem kleinen Finger annehmen können. Wir sind alle drei ganz baff! Mir egal ich will nur schnell festmachen!
Geschafft! Jetzt merke ich wie aufgekratzt ich bin. Ich weiß nicht ob ich wirr gesprochen habe. Der Skipper hat sich ständig wiederholt, was das für ein krasser Anleger war und ich habe dafür in einem einzigen Satz die ganze Überfahrt erzählt und das ich so was noch nie zuvor gemacht hätte und das ich ganz aufgeregt bin und das ich gefürchtet hätte das die Batterie lehr geht und das die vielen Schiffe von der Hanse Sail alle da waren und ich ja nicht „dunkel“ fahren kann, man muss ja überhaupt froh sein wenn die einen auf dem Radar sehen, …
Naja wir haben uns dann alle erstmal wieder Beruhigt. Die beiden haben zu Ende gefrühstückt und ich habe klar Schiff gemacht. Kurz danach habe ich denen dann geholfen, dass sie ohne Kratzer, gegen den Wind, vom Steg wegkommen und bin endlich schlafen gegangen.
100 Meilen in 20 Stunden durch die Nacht Rügen – Wismar nonstop. Nicht ganz wie geplant, aber gesund und munter – äh müde – aber happy!

 
Sonnenaufgang. Die Nacht ist geschafft!





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