Sonntag, 6. August 2017

Der Wille nach Westen

Sonntag 06.08


Ich vertrödel den Morgen fast komplett. Irgendwie habe ich den Wetterbericht nicht ganz richtig interpretiert und mir wenig Gedanken um die Karte gemacht. Plötzlich stelle ich fest, dass es an der Südseite der Insel eigentlich keine Häfen gibt. Dort ist Arnager beim Flughafen, ein winziger Hafen. Ich bin mir nicht mal sicher ob ich rein gepasst hätte mit 1,2m Tiefgang und außerdem liegt das fast in Sichtweite von Rønne. Was die Südseite in meinen Augen zusätzlich unattraktiv macht ist der Militärstützpunkt, nebst Sperr- und Schießgebieten auf dem Wasser. Obwohl ich die Regeln kenne bleibt immer eine Restunsicherheit ob ich durch diese oder jene Zone durchsegeln darf. Hat man ja auf dem Weg hier her gemerkt mit der Caoution area bei den Windmühlen.
Der Wind steht günstig auf West für eine Überfahrt nach Polen – aber das ist weit! Fast 70sm bis Kolberg oder Dziwnow wenn ich etwas nach Westen steuern kann. Ich versuche lieber nach Arnager oder Rønne zu Kreuzen und wenn es geht noch weiter nach Norden zurück nach Hasle. Im Grunde unter zwanzig Meilen, wenn ich Kreuze vielleicht 30, bis Hasle dann 40. OK, los!
Der Wind ist nicht so stark wie Gestern, dafür aber leider sehr böig. Die Windfahne kommt damit nicht gut zurecht und wir verlieren immer einiges an Geschwindigkeit und unseren Kurs wenn uns eine Böe packt und die Illub anluvt (in den Wind lenkt). Also steuere ich viel selber und nutze die WF nur um mich mit Essen usw. zu versorgen. Um 12:00h ist die Südspitze der Insel erreicht und und wir verlassen die Landabdeckung. Innerhalb von zehn Minuten steigern sich Wind und vor allem Wellen deutlich. Ich bin mir sicher längst in der vorhergesagten 2m Zone zu sein. Wenn nicht sogar mehr. Man hat das Gefühl durch ein Gebirge zu fahren. Ich war vorher schon nass und jetzt muss ich den Niedergang dicht machen, nachdem zwei besondere Wellen Lieterweise Gischt und Wasser unter Deck gespült haben. Ich finde es ungemütlich, aufregend und bin wieder mal ganz angetan davon wie meine Illub auch diese Bedingungen meistert. So muss es auf hoher See sein! Wenn man von Bornholm absieht ist das nächste Land mindestens 100km weit entfernt und die Wellen haben lange Zeit sich aufzutürmen und in Wallung zu kommen. Tun sie auch.
Ich habe mir einen Wegpunkt ausgemessen und Wendewinkel überlegt um heute um die Insel herum zu kommen. Irgendwann ist meine Geduld am Ende und ich meinte auch den Wendepunkt erreicht zu haben, da fahre ich meine Wende. Leider mit super enttäuschendem Ergebnis. Ich komme im Grunde kaum vorwärts. Ich muss mehr als 3 Meilen Segeln um etwas weniger als 1 Meile in meine gewünschte Richtung Westen zu kommen. Ich möchte gerne 15 Meilen nach Westen, das heißt also 45 Meilsen Kreuzen bei einer Geschwindigkeit von ca. 5 Knoten ergibt das eine Fahrzeit von 9 Stunden. Das alles gegen 5-6 Windstärke mit 2m Wellen gegen an.
...ich drehe doch lieber um und versuche mein Glück an der Nordspitze der Insel. Schön ist ja, dass man bei viel Wind auch schnell fährt. Am Ende wird mir der Tag aber doch ganz schön lang. Die, bei Westwind einsetzende, Strömung am Nordkap habe ich natürlich nicht mitbedacht und abgesehen davon komme ich erst gar nicht in die Nähe. Ich komme zwar auf Höhe des Kaps, bin aber noch viel zu weit im Osten. Na gut! Dann schaffe ich es halt nicht. Ich mache eine Wende und steuere Gudhjem an. Trotzdem war es ein interessanter und lehrreicher Tag. Wichtigste Lektion: Bei starkem Wind und Wellen kann man sich nur im Hafen verstecken oder eben mitfahren. Gegen an haben die Illub und ich keine Chance.
Als ich nach 9 Stunden auf dem Wasser endlich den Hafen erreiche, bin ich einigermaßen erledigt. Jeder Handgriff wird schwieriger je mehr Wind und Wellen das Schiffchen tanzen lassen. Zum Glück bin ich die meiste Zeit unter Landabdeckung gefahren, hatte also kräftigen Wind, aber vergleichsweise stilles Wasser. „Still“ ist natürlich relativ. Den ganzen Tag über bin ich in unregelmäßigen abständen Geduscht worden. Eine von Tausend Wellen geht immer über die Bordwand und klatscht einem mit voller Wucht ins Gesicht oder in den Nacken oder ins Schiff wenn man nicht aufpasst. Es war der erste Tag an dem ich die Luken zum Schiff zu machen musste!


Im Hafen ist es eng und gemütlich. Es sind nur wenige draußen gewesen. Die meisten haben etwas mehr Erfahrung als ich, müssen nicht mehr so viel Ausprobieren und wissen wann es sich lohnt für eine schöne Fahrt den Hafen zu verlassen. Ich fand den Tag trotzdem gut, auch wenn ich keines meiner Ziele erreicht und sogar etwas Equipment im Wind verloren habe.
Witziger weise ist der letzte freie Platz im Hafen wie für mich gemacht. Hinter einer, mir aus Sandvig bekannten Motoryacht, ist ein Platz frei und dann kommen die „Axt“ von Julius und die „Avanti“ von Klaus-Peter a.k.a. K-P. K-P hatte mir in Hammer Havnen von dem Steinbruch-See erzählt und nimmt zusammen mit dem Motorboot Skipper meine Leinen an. Gut! Denn es ist mega eng und Windet noch doll. Zusätzlich ist es mal wieder eine neue Parksituation, die ich in dieser Form auch noch nie hatte. Anstatt der Mooringbojen sind die Mooringleinen einfach an der Kaimauer. Man fährt also vor und muss sich die Leine vom Bug angefangen zum Heck vom Hafenbecken hochholen. Ende gut alles gut.
Julius und K-P finden sich nach dem Abendessen auf der Illub ein. Am Ende trefft man sich eben auf der Illub – so ein gastliches Schiff meine kleine Illubovic!
Julius ist gerade fertig mit dem Abi, kommt aus einer gut betuchten Seglerfamilie und hat sein eigenes Schiff, mit dem er sich bald mit der Familienyacht irgendwo trifft. K-P ist Sonderpädagoge und mit seiner 33-Fuß Yacht im 6 Wochen Sommerferien Modus. Beide kennen sich schon lange. Die Ostsee ist scheinbar doch nicht so groß und wenn man hier oben Wohnt und oft raus kann, läuft man sich wohl über den Weg. Julius hat sein Boot in Masholm an der Schlei und K-P nicht weit bei Kiel in einem obskuren kleinen Vereinshafen. Irgendwie sitzen wir dann trotz des langen Tages noch bis nach 1:00h zusammen und erzählen Segelgeschichten. Ich nutze die Zeit mich ganz als Anfänger zu geben und die beiden übertreffen sich gegenseitig mir ihr Wissen über Segeltrimm, Rigging weiter zu geben. Ich lerne einiges wie sich am folgetag zeigen soll.

 Die "Axt" von Julius, die Illub und die "Unawatuma" der freundlichen Motoristen. 

 K-P mit seiner "Avanti" läuft als erster aus.


Montag 07.08.2017
Ursprünglich wollte ich zwischen 10:00 und 11:00h auslaufen, um gegen 13:00h oben am Kap zu sein, da die Winde drehen sollen und ich dann mein günstiges Zeitfenster gesehen habe. Sowohl Julius als auch Laberschädel K-P raten mir früher zu fahren und ich beherzige ihren Input. Um 9:15h habe ich bereits den Hafen verlassen und Segel mit Motorunterstützung auf das Nordkap der Insel zu. Heute kann ich es mir nicht leisten die Westseite nicht zu erreichen, denn morgen ist der einzige Tag mit östlichem Wind, mit dem ich Rügen erreichen kann. Danach dreht es wieder auf West und ich habe gestern ja gelernt, dass ich dem nichts entgegen zu setzen habe und hierbleiben müsste; oder nach Schweden oder Polen fahren…
Deshalb gehe ich auf Nummer Sicher. Ich starte drei Versuche, den Motor doch abzuschalten, aber jedes mal verliere ich die Hälfte der Geschwindigkeit und kann den Kurs nicht mehr halten. Ok. Motorsegeln bis zur entscheidenden Wende und dann wird gesegelt. 11:30h die entscheidende Wende Kurs 200° - ne. Mist! 180° zu knapp. Der Wind dreht. Na gut dann kreuze ich halt. Wenigstens ist der Motor aus und die Windfahne steuert. Mist! Nein tut sie nicht. Warum? Mist! Der erste Verschleiß zeigt sich nach dem vielen Wind der letzten zwei Tage. Eine Öse hat sich aufgebogen und die Schubstange ist ab. Reparieren kann ich das erst im Hafen und so verbringe ich die nächsten vier Stunden mit Steuern und einer Wende alle 30min. Der Wind dreht immer weiter und um 14:30h hab ich die Schnauze voll. Erstens werden wir immer langsamer und zweitens komme ich immer weniger voran in meine Richtung. Um 14:30h schmeiße ich den Diesel an und fahre die letzten 45min. In den Hafen nach Hasle.
Aufräumen, dänische Kronen ausgeben, Essen Vorbereiten und ab in die Sauna. Da wollte ich gestern schon so gerne rein. Um 9:00h geht die Sonne in einem perfekten Szenario unter und ich bin versucht jetzt schon auszulaufen, habe dann aber doch ein bisschen schiss und entscheide mich einfach ganz früh aufzustehen.


 
Direkt neben mir wird im Hafenbecken "Kajak-Ball" oder "Paddel-Ball" gespielt 
 Ein wunderbarer, lauer Sommerabend...
 ...und die Illub ist klar zum Auslaufen...
 ...soll ich?!?
Nee, komm! Ich stell mir einen frühen Wecker.

1 Kommentar: