NOK
Freitag, 30. März 2018 09:51 MESZ
Entfernung: 58,7 km
Dauer: 7 Stunden, 14 Minuten und 46 Sekunden
Durchschnittsgeschwindigkeit: 8,1 km/h
Der
Kanal ist lang und die Illub langsam. Ich bin mir nicht sicher ob ich
es schaffen kann in einem Tag den kompletten Kanal zur durchqueren.
Ich bin aufgeregt. Außerdem habe ich schlecht geschlafen. Es war
noch kälter als die Nächte zuvor und meine Sprayhood, die
Kuchenbude und alle Leinen an Bord sind komplett vereist. Da
ich als Sportboot nur bei Tageslicht den NOK befahren darf warte ich
bis 6:40h um den Motor zu starten. Der will wegen der Kälte aber nur mühsam in Gang kommen und hustet den ganzen Hafen voll. Ich bin
froh dass es nicht Sommer ist und der Hafen voll mit Leuten, die sich
über die dicken Qualmwolken und den Lärm am frühen Morgen
beschweren könnten. Ich höre den Funk ab, um im Bilde zu sein, was
sich gerade an der Schleuse tut. Seit einigen Jahren ist der Teil für
die Sportboote defekt und man schleust mit den dicken Pötten in einer der beiden großen Kammern. Vor ein paar Wochen im Februar ist dann so ein dicker Pott mit Vollgas in das Schleusentor
gedonnert, so dass nur noch eine einzige Schleusenkammer zur
Verfügung steht.
Um kurz vor 7:00h will ich die Leinen loswerfen. Das ist gar nicht so
einfach, da die Feuchtigkeit in den den Seilen zu Eis gefroren ist
und alles sehr steif ist und die Arbeit mühsam macht. Hinzu kommt, dass ich alle
mitgebrachten Anziehsachen gleichzeitig trage: 5 Hosen, 6 Oberteile,
3 Paar Socken, Handschuhe, Buff und Mütze plus Schwimmweste. Ich bin
also nicht besonders gelenkig, das Schiff aber dafür um so
rutschiger. Während ich so mit den Festmacherleinen kämpfe, die ja
gleich in der Schleuse wieder ordentlich und benutzbar sein sollen,
macht es „klack“ und das Funkgerat löst sich von der
Schwimmweste. Ich kann die Antenne noch berühren, sie rutscht mir
aber durch die steifen Finger, es macht „plopp“ und die Funke ist
„auf Tiefe gegangen“. Weg. Kannste nix machen! Ich steh‘ daneben und
ringe um Fassung. Irgendwas geht ja immer schief! Leider wird das Funkegerät, dass
seltenst im Einsatz ist, gerade heute gebraucht. ...und wie schnell das
geht. Zack! Und es ist vorbei. Klar liegt es „nur“ 2m tief in
einem 2m Umkreis aber für mich ist es für immer weg. Ich Ärgere mich. In der Vergangenheit war der Platz an der
Schwimmweste vor meiner Brust richtig gut. Ich konnte hantieren ohne
das das Ding im Weg war und hatte immer ein gutes Ohr darauf. Aber
das hilft mir jetzt nicht weiter. Weiterfahren hilft weiter. Also
Leinen Los!
Vor
der Schleuse kann ich jetzt nicht mehr hören was passiert. Aber ich
kann es sehen. Wie auf einer Perlenkette
reihen sich die wartenden Kontainerschiffe. Natürlich werden die Pötte zuerst abgefertigt. Es dauert 2 Stunden, bis wir endlich dran sind.
Ganz hinten in der Schleuse ist noch ein winziger Platz frei. 6 dicke
Pötte und 3 Yachten werden geschleust. Um 10:15h komme ich endlich, nach drei Stunden warten, im NOK an. Keine Chance die 40sm jetzt noch bei Tageslicht zu
bewältigen. Aber egal erstmal zusehen, dass ich weiter komme und
wieder warm werde. Das lange Warten hat mich ganz ausgekühlt, es war
immerhin Eis auf der Förde! Der Tag verspricht aber Sonnenschein und zwei Std. später pelle ich mich aus den vielen Anziehsachen, hänge mal
wieder Dinge zum Trocken an mein „Zigeunerschiff“ und fahre
fröhlich über das ruhige Wasser des Kanals.
(Bitte
versteht mich und den Ausdruck „Zigeunerschiff“ richtig. Mir
liegt es fern Sinti, Roma oder wen auch immer zu diskriminieren. Ich
verbinde mit dem Wort ein bilderbuchartiges, Holzenplotz-Aussehen,
bunt, frei und etwas verrückt. Die Illub eben :-)
Um 13:30h passiere ich die Raderinsel bei Rendsburg. Dort habe ich
den ersten Winter verbracht, möchte aber auf keinen Fall dort
festmachen. Die raffgierige Hexe der Insel hat mir den Hafen
verleidet. Übrigens habe ich viele ( genau 7!) andere Segler getroffen,
die genauso über Uta Schreiber denken.
Um
17:00h mache ich fest im Gieselau Kanal. Direkt vor der Schleuse, die
ich im Sommer 2015 mit meinem Vater passiert habe, als wir von
Tönning aus die Eider entlanggeschippert sind. Die Sonne Scheint, es
ist windstill und ich habe fast schon sommerliche Gefühle. Zur
Belohnung der fahrt bis hier und in guter Familientradition genehmige
ich mir einen „Grünen“ und lass mir die Sonne ins Gesicht
scheinen.
Samstag 31.03.2018
Samstag, 31. März 2018 08:00 MESZ
Entfernung: 43,5 km
Dauer: 10 Stunden, 3 Minuten und 18 Sekunden
Durchschnittsgeschwindigkeit: 4,3 km/h
Samstag, 31. März 2018 08:00 MESZ
Entfernung: 43,5 km
Dauer: 10 Stunden, 3 Minuten und 18 Sekunden
Durchschnittsgeschwindigkeit: 4,3 km/h
Genies die Sonne wenn sie da ist. Heute ist wieder alles grau. Um
8:00h tuckere ich wieder auf dem Kanal. Es passiert im Grunde nichts
und ich hänge meinen Gedanken nach. Ab und an begegnen mir andere
Schiffe aber es ist wenig los und ich muss nur aufpassen, wie die
Fähren gerade fahren wollen. Am Ende muss ich kein einziges mal
Abbremsen, Kurs ändern oder so :-)
Brunsbüttel
kommt näher und ich weiß nicht wie es läuft. Weder ob ich heute
Ausschleusen möchte (laut Karte gibt es einen Hafen), noch wie das
Schleusen überhauft läuft. Gibt es hier eine Kammer nur für
Sportboote, wie es in Kiel eigentlich hätte sein sollen? Müssen wir
warten bis draußen auf der Elbe genug Wasser ist? Welchen Funkkanal
nutzen die an diesem Ende? ...ach ja, meine Funke ist ja im
Hafenbecken in Kiel geblieben…
Aber das Glück ist auf meiner Seite. Es warten bereits 3 Segler auf
Einfahrt, hab außerdem habe ich eine gute Vorstellung was die Lichtsignale
bedeuten sollen und ein Frachter kommt auch schon angefahren. Sobald
der Frachter fest in der Schleuse ist, erscheint ein weißes unterbrochenes
Licht auf der Backbordseite der Schleuse und wir dürfen auch
einfahren. Ein schneller Blick zu den den anderen Seglern zeigt, dass
wir an Backbord festmachen sollen. Fender und Leinen werden klar
gemacht und ich komme mir etwas doof vor. Die andere drei sind große
Crews 4-6 Mann pro Schiff und gehören zum Hamburger Segelverein.
Mein Schiff ist nicht so doll aufgeräumt und mein Manöver auch
nicht so elegant. „Egal!“ sage ich mir. Immerhin bin ich "auf
Fahrt" und die machen ‚nur‘ ein Ostertörn.
Auf der Elbe bin ich beeindruckt vom Wind, Regen, der Strömung und
dem Seegang. Bis Cuxhaven sind es ca. 15sm, das Wasser läuft gerade
ab und der Wind kommt südlich. Die Bedingungen sind gut. Egal denke
ich mir. Ich will in den nächsten Hafen und mich innerlich auf die
Nordsee einstellen und dann erst rausfahren, statt anders herum.
Der
alte Hafen von Brunsübttel ist ein langer enger Schlauch, dem bei
Ebbe das Wasser zum großen Teil fehlt. Etwas
angespannt wage ich mich hinein und rechne ständig damit im Schlick
stecken zu bleiben. Nichts passiert und ich mache am Gaststeg fest.
Geschafft!
Die Nordsee ist erreicht.
Es ist erst 14:30h und so kümmere ich mich noch etwas ums Schiff.
Besonders die Dieselvorräte müssen nach der langen Kanalfahrt
aufgefüllt werden.
Ostersonntag 01.04.2018
Sonntag, 1. April 2018 13:55 MESZ
Entfernung: 52,4 km
Dauer: 6 Stunden, 6 Minuten und 16 Sekunden
Durchschnittsgeschwindigkeit: 8,6 km/h
Sonntag, 1. April 2018 13:55 MESZ
Entfernung: 52,4 km
Dauer: 6 Stunden, 6 Minuten und 16 Sekunden
Durchschnittsgeschwindigkeit: 8,6 km/h
Um 8:00h sehe ich den Hafenmeister mit seinem Fahrrad. Es ist
offizieller Saisonbeginn und ich mache mich auf mein Liegegeld zu
zahlen. Davon will Adolf aber nichts wissen. Statt dessen kocht er
Kaffe und wir schnacken gute 2,5Std bei ihm im Büro. Ab und zu
schauen andere Vereinskollegen herein und ich habe das erste mal
richtige Cruising-Gefühle. Mit der Illub auf Langfahrt.
Dann
will ich herausbekommen wie denn die Einschätzung ist heute nach
Cuxhaven zu segeln und wie der Hafenmeister das angehen würde. Der
Wind steht auf NW, was doof ist bei einer Fahrtrichtung von NW. Ab
16:00h setzt die Ebbe ein und die Strömung kentert, gleichzeitig
wird der Gegenwind immer heftiger. Ab wann fahre ich am bessten raus?
Das ist die große Frage.
Die Antworten, die ich
bekomme, bedeuten nichts: „Eine Stunde nach Niedrigwasser kannst Du
unsere Fahrrinne schon benutzen. Und wenn der Wind aus NW kommt musst
Du halt Kreuzen.“
Was das Bedeutet werde ich gleich herausfinden.
Um
14:00h laufe ich aus. Ich bin ein wenig nervös und Wundere mich
direkt über die Wucht der Strömung, als ich die Segel hisse. Ich
benötige zwei Anläufe um währenddessen nicht auf eine Sandbank
gespült zu werden. Als ich dann loskreuze komme
ich in der ersten Stunde ganze 2,5sm weit. Und dass obwohl ich mit
der doppelten Geschwindigkeit durchs Wasser rausche. Außerdem hatte
ich gedacht mit einem Kreuzschlag (Zick-Zack-Kurs) viel weiter zu
kommen. In der Planung hatte ich die erste Wende bei Otterndorf
fahren müssen. In der Realität habe ich dort zum sechsten
Kreuzschlag (12te Wende) angesetzt.
„Meine Zeit wird kommen!“ war das Matra des Tages. Ich wusste ja
das ab 16:00h die Tide kentert und die Strömung für mich arbeitet.
Das Wetter war klar und sonnig also kein Grund umzukehren. Der Wind
frischt immer weiter auf, die Fahrt dauert immer länger und ich habe
in manchen Momenten Mühe meine gute Laune nicht zu verlieren.
In
den ersten 2 Stunden habe ich weniger als 4sm in die gewünschte
Richtung zurück gelegt, also
gerade mal ein Viertel!
Distanz laut Karte: 15sm
Gefahrene Distanz: 28sm
Durchschnittsgeschw.: 5kn
Törn Dauer: 6 Std.
Die hohe Durchschnittsgeschwindigkeit habe ich nur am Ende gegen
18:00h herausgeholt, als ich mit dem starken Wind und der Strömung
mit 9kn über Grund gerauscht bin.
Alles in Allem ein sehr sportlicher Tag der eine sehr wichtige
Lektion der Nordsee wieder ins Gedächtnis gebracht hat:
FAHRE IMMER MIT DEM WASSER
Egal ob der Wind gegenan steht. Fahre nie gegen die Strömung. Das
macht einfach keinen Sinn. Wer das Wattenmeer kennt, der kann sich
diese riesigen, unglaublichen, unfassbaren Wassermengen ein wenig
vorstellen, die innerhalb von 6 Stunden rein und raus schwappen. Wenn
Du da gegenan möchtest, wirst Du klein, kleiner am kleinsten. Du
hast einfach keine Chance.
Mit dem letzten Tageslicht mache ich in Cuxhaven fest, allerdings
nicht ohne eine Ehrenrunde durch den Fischerhafen und den Fährhafen.
Dann endlich habe ich die richtige Einfahrt gefunden und kann im
komplett leeren Sportboothafen festmachen. Ok ich gebe es zu, es
liegen drei weitere Boote im Wasser. Der Eigner von der „Zacki“
hat mir ganz stolz erzählt, dass er in der Zeitung war weil er als
erster im Wasser war (Vorgestern oder so). Ich muss ein wenig
schmunzeln, bedanke mich für die Hilfe beim Anlegen und verziehe
mich unter Deck. Essen und Telefonieren. Meine liebe Frau macht sich
schon sorgen, da es dunkel ist und ich immer noch nichts habe hören
lassen. Es tut gut, das jemand auf mich aufpasst.
Ostermontag 02.04.2018
Ein herrlicher Morgen. Mir tun die Knochen weh. Das war schon
sportlich gestern. Hat auch niemand sonst gemacht. Die drei Segler,
die ich gesehen habe sind mir alle entgegen gekommen. Gemütlich vor
dem Wind, mit der Störmung, Termokanne und Kleinkind im Cockpit und
ab dafür. Ich hingegen stand mit 30°-40° lage in der Gischt und
habe eine Wende nach der anderen gefahren. Dazu immer schön gucken
was die dicken Pötte und Piloten machen, deren Fahrwasser ich
ständig kreuze… naja.
Heute
wird entspannt. Lange im Bett bleiben, gutes Frühstück und dann
Wäsche Waschen, aufräumen usw. Morgen kommt Simon an Bord und
wird mit mir bis zum Wochenende versuchen rauszuholen was geht. Das
eigentliche Ziel Warten in Holland, kann ich knicken. Emden wäre ein
Traumziel, allerdings auch recht weit…. mit 87sm von Helgoland aus
gesehen wahrscheinlich zu weit.
60sm nach Borkum
40sm nach Norderney
Mal gucken was daraus wird. Hängt auch stark vom Wetter ab. Am Ende
bleibe ich da, wo ich bleibe – hilft ja nichts.
Außerdem gibt es immer eine Lösung :-)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen